Montag, 20. Dezember 2010

Unsere heißen Schneemänner


30 Grad, blauer Himmel - während ihr friert, bauen Tirza und ich dann mal in kurzer Hose unsere Schneemänner... So muss das sein!

Sonntag, 19. Dezember 2010

Brasília - 50 Jahre Hauptstadt im Nichts


Skizze des "Plano Piloto"

Seit vier Monaten lebe ich nun schon in einer der (soweit ich es auf Grund meiner bisherigen Erfahrungen beurteilen kann) merkwürdigsten (Haupt)städte der Welt, bzw. in einer ihrer 17 Satellitenstädte.
Die von Architekt Oscar Niemeyer geplante Retortenstadt wurde im April diesen Jahres gerade einmal 50 Jahre alt, hat 2,5 Millionen (incl. Satellitenstädte, im Stadtkern nur etwas mehr als 200.000) Einwohner, auf die 1,2 Millionen Autos kommen. Diese absolut erschreckende Zahl erklärte sich mir bereits nach meinem ersten „Besuch“ des „Plano Piloto“, dem Stadtzentrum. Es gibt zwar eine Metro, welche das Stadtzentrum mit 5 Satellitenstädten verbindet, allerdings ist deren Endstation die Rodoviária, welche recht mittig gelegen zwar ein guter Ausgangspunkt ist, jedoch nicht unbedingt nah an den verschiedenen Hauptpunkten liegt. Neben der Metro existiert ein mehr oder minder gut ausgebautes, jedoch recht unübersichtliches Bussystem, welches neben dem Auto die einzige Fortbewegungsmöglichkeit stellt. Fußgänger- oder Fahrradwege sind in der gesamten Innenstadt kaum bis gar nicht vorzufinden, dementsprechend sieht man kaum Menschen auf den Straßen, sodass die Stadt für mich eher einer Dauerausstellung modernen/futuristischer Architektur gleicht. 
Blick auf den Plano in 75m Höhe (TV Tower)

Feira Artesanal

Verantwortlich dafür ist jedoch auch oder vor allem der beängstigende Mangel an kulturellen Treffpunkten in der Innenstadt. Zwischen dem Juscelino Kubitschek Denkmal (ungefähr auf Höhe des Flugzeughecks) und dem Nationalkongress (Cockpit des „Flugzeugs“), sprich auf ca. 7km finden sich weder Bars noch Restaurants. Lediglich außerhalb des Planos liegen ein zwei Straßenzüge, in denen sich ein Restaurant an das andere drängt. Desweiteren gibt es noch zwei Shoppingcentren, welche sich allerdings ebenfalls außerhalb des eigentlichen „Flugzeugs“ befinden.
Nach meinen zahlreichen Streifzügen durch die Stadt, habe ich als einzigen wirklichen kulturellen Treffpunkt (an dem sämtliche gesellschaftliche Schichten vertreten sind) die „Feira Artesanal“ (Kunsthandwerkermarkt), welcher zu Füßen des TV Towers (ca. Flugzeugmitte) liegt, ausgemacht.
Immerhin kann letzterer, sowie auch der Nationalkongress, das Außenministerium, das Museu Nacional und die Catedral Metropolitana kostenlos besichtigt werden. 
Congresso Nacional

Catredral Metropolitana

Museu Nacional
 
Neben dem augenscheinlichen Mangel an kulturellen Treffpunkten, erschrecken die absolut unverschämt hohen Miet- bzw. Kaufpreise, welchen denen in Miami entsprechen. Die Ursache hierfür liegt nicht etwa in der Attraktivität dieser Wohngegend (die meisten Einwohner bewohnen in den „Flugzeugflügeln“ eintönige und triste Plattenbauten), sondern darin, dass fast ausschließlich Beamte das Stadtzentrum bewohnen. Seit der Fertigstellung der Stadt, deren Idee unter anderem die Ansiedlung von Arbeitern innerhalb der Stadt war, sind sämtliche Arbeiter aus der Stadt verschwunden und bewohnen die Satellitenstädte. Trotzdem werden sie natürlich auch für den reibungslosen Ablauf in der Innenstadt benötigt, denn auch Ministerien, Konsulate und dergleichen wollen gereinigt und instand gehalten werden. Resultat dieser Verteilung ist ein unvorstellbarer Pendelverkehr, welcher tagtäglich für viel Stau und verstopfte Straßen sorgt. Um entgegenzuwirken werden zur „Rush Hour“ morgens und nachmittags alle 6 Spuren der Estrutural (eine der Hauptstraßen, welche einige Satellitenstädte mit dem Plano verbindet – normal 3spurig in beide Richtungen) jeweils nur in eine Richtung befahren. (morgens dementsprechend Richtung Plano und nachmittags Richtung Satellitenstädte).
Arbeiterdenkmal
 
Der erste Gedanke, welchen man mit der „Arbeiterarmut“ innerhalb der eigentlichen Stadt verbindet, mag schlichtweg sein, dass das ständige Pendeln umständlich und unpraktisch ist. Oftmals wird die Situation auch genauso von den zahlreichen Beamten der Stadt beurteilt. Betrachtet man die Situation der zahlreichen pendelnden Arbeiter bzw. die der Satellitenstadtbewohner jedoch genauer, so wird klar, dass die Situation mehr als unpraktisch oder umständlich ist – sie ist gnadenlos unfair und unverhältnismäßig!
Innerhalb der Satellitenstädte wird ein völlig anderes Leben geführt, welches nichts mit dem innerhalb der Stadt zu tun hat. Es gibt unzählige Obdachlose, Arbeitslose, Drogenabhängige und nicht zuletzt Kriminalität. Natürlich ist die Situation innerhalb der verschiedenen Satellitenstädte auf Grund deren unterschiedlicher Faktoren (Größe, Einwohnerzahl, Entfernung zum Plano etc.) auch sehr verschieden.
Ich wohne in Ceilândia, eine der Satellitenstädte, deren Entwicklung in den letzten 5 Jahren erheblich vorangegangen ist.



auf dem Weg zur Arbeit: Ceilândia Norte




In den meisten Stadtteilen gibt es mittlerweile geteerte Straßen und zumindest soweit ich es beurteilen kann auch relativ (!) viele soziale Einrichtungen (hauptsächlich Kindergärten). Auf den ersten Blick geht es den meisten Familien vielleicht sogar gar nicht so schlecht. Erst nachdem ich einige Freunde und Bekannte hier besucht habe, ist mir aufgefallen, wie schlecht sich die Situation eigentlich einschätzen lässt. Einige Familien besitzen zwar ein (von Außen verhältnismäßig) ganz ansehnliches Häuschen, teilweise sogar ein Auto, aber oftmals fehlt es an essentiellen Dingen, wie einer Dusche oder einer funktionstüchtigen Toilette.
Neulich war ich bei einer Freundin zu Besuch. Auf Grund ihres Kleidungsstils und ihrer „Ausstattung“ (Handy, Mp3Player etc.) hatte ich mir unterbewusst ein Bild von einer mittelmäßig bis gut ausgestatteten Wohnung gemacht. Als ich ins Badezimmer ging, ein fensterloser Raum, dessen Boden und Wände aus Lehm bestanden, war ich wirklich geschockt. Natürlich sind es nur viele einzelne Eindrücke, ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben hier, welche sich nach diesen ersten vier Monaten hier zusammenfügen, dennoch ausreichend, um festzustellen, dass eines der Hauptziele in der Planung dieser Stadt, einen gemeinsamen Lebensraum für verschiedenste gesellschaftliche Schichten zu schaffen, mit Sicherheit nicht umgesetzt worden ist. Aber auch die anderen Ziele und Hoffnungen, welche man mit der Verlagerung der Hauptstadt ins Land des Inneren (welche schon seit 1823 als Idee bestand) verfolgte, konnten bis heute nur teilweise umgesetzt werden.
Auch wenn mich fast jeder, dem ich inner- und außerhalb Brasílias bzw. Ceilândias bisher begegnet bin bemitleidet („Du Arme. Was machen du und Tirza nur hier? Kein Meer, keine Seen, wenig Kultur…“) bin ich froh, hier in Brasília bzw. Ceilândia „gelandet zu sein“. Ich finde es spannend, die Lage, die Menschen, die Kultur und das (brasilianische) Leben hier völlig unvoreingenommen kennenlernen zu können, da das Internet (in dem man heutzutage doch scheinbar alles nachlesen kann) ausnahmsweise mal keine Materialien hergibt (zumindest nichts über Ceilândia)...

Samstag, 18. Dezember 2010

„Advent, Advent - die Sonne brennt.“


1. Advent, 25°C, schwüle Hitze, blauer Himmel und durch die Hecke zum Nachbargrundstück lässt sich bei genauem Hinhören Sambamusik vernehmen – welch ein grandioser Einstieg in die Adventszeit.
Ist er nicht schön (kitschig)??  Ps: Es wurde noch eine bunte Blinklichterkette hinzugefügt...   

Ein typischer Adventssonntag : blauer Himmel, 25 - 30°C, schwül - kurz: absolut unweihnachtlich

Zugegeben, es hat schon was, auch Ende November noch mit der gleichen Garderobe wie vor 4 Monaten auf die Straße gehen zu können. Allerdings scheint sich die Hoffnung auf eine noch einsetzende Weihnachtsstimmung unter anderem auf Grund der deutlich schwüler werdenden Nächte, in denen man sich nun entscheiden kann, ob sie auf Grund der unerträglich drückenden Hitze (bei geschlossenen Fenstern) oder der erbarmungslosen Mückenschwärme (…) schlaflos vergehen, immer mehr zu verflüchtigen.
unser Adventskalender - ein bisschen Heimat muss sein...


Gestern haben wir in unserer Jugendgruppe in Ceilândia über die Gestaltung des Weihnachtsgottesdienstes nachgedacht und während ich mir schwitzend in kurzer Hose und Top ein Krippenspiel vorzustellen versuchte, hätte ich für das Anschlussprogramm nach dem Gottesdienst am liebsten eine Wasserschlacht vorgeschlagen.
Der erste Eindruck mag nun vielleicht sein, dass ich mich nach Schnee, Winterjacke und gemütlichen Abenden vor dem Kamin sehne und wie sollte es auch anders sein – natürlich gibt es einige Momente in denen das der Fall ist. Den Großteil der Zeit finde ich es allerdings eher unterhaltsam zu beobachten, wie man hierzulande versucht auf die verschiedensten Art und Weisen die Weihnachtsstimmung zu erzwingen. Wenn mich beim Einkaufen einige Verkäufer mit hochroten Köpfen, welche unter Weihnachtsmützen schmoren, grüßen, ich mein Obst zwischen blinkenden Nikolauslichterketten suche oder  sich in der Creche schon seit Tagen fünf „tias“ damit beschäftigen, Nikoläuse, Weihnachtsbäume, Engelchen und Schnee an die Türen zu malen und dazu Lametta in den verschiedensten Farben an jeder Ecke befestigen, so kann ich einfach nicht anders, als ab und zu laut loszulachen.  Trösten können desweitern die noch allzu lebendigen Erinnerungen an blinkende Kakteen, pinke Metallgestelle in Form von Weihnachtsbäumen  sowie zahlreiche Hausgroße Weihnachtsfiguren, welche mir in Arizona förmlich die Sprache raubten – dagegen geht es hier ja wirklich noch sehr geschmackvoll zu...
 

Mal eben nach Rio - warum eigentlich nicht ?


Heidewitzka – wie die Zeit hier verfliegt… Jetzt ist es schon wieder über vier Wochen her, dass ich das letzte Mal einen Blogeintrag verfasst habe, obwohl es mir so vorkommt, als sei es erst gestern gewesen.
Gott sei Dank gibt es aber trotz oder vielleicht gerade wegen der so schnell an mir vorbeiziehenden Zeit einiges zu berichten.

Nachdem sich bei Tirza und mir in den letzten Oktoberwochen erste Erscheinungen von Lustlosigkeit und Demotivation breit machten, beschlossen wir, dass es an der Zeit sei, etwas mehr als nur Brasília von diesem wundervollen Land kennenzulernen. Nach einem kurzen Brainstorming in der Mittagspause hielten wir als erschwingliche und realistische Ziele für ein verlängertes Wochenende fest: ein nur 3 Stunden entferntes Städtchen namens Pirenópolis in dessen Nähe es schöne Wasserfälle gibt, ein Naturpark in unserer Nähe und dann die Hauptstadt des angrenzenden Staates Minas Gerais, Belo Horizonte. Frei nach brasilianischem Vorbild sprachen wir also ständig darüber, dass es ja nun, unabhängig davon wohin es denn nun tatsächlich gehen würde, eine schöne und spannende Sache sei, übers Wochenende mal etwas Neues zu erkunden – kümmerten uns jedoch ums nichts. So strichen die Tage dahin. Tagtäglich malten wir uns aufregende Hiking Touren durch den Naturpark, sternenklare Nächte unter freiem Himmel oder den Besuch anderer Freiwilliger in Belo Horizonte aus und ließen unserer Phantasie dabei keine Grenzen. Immer, wenn wir in den Computerraum gingen, nahmen wir uns vor, genauere Infos rauszusuchen, was jedoch spätestens nachdem man Familie und Freunde als „online“ verbuchen konnte, auf den nächsten „Computertag“ verschoben wurde. So kam es, dass am Donnerstag, einen Tag bevor es los gehen sollte, keine Herberge, kein Bus o.ä. gebucht war. Noch nicht einmal ein endgültiges Ziel stand fest – Jetzt aber schnell! In der Mittagspause ging es ins Internetcafé und sämtliche Preise wurden herausgesucht und verglichen. 40 Euro die Nacht in einem Naturpark pro Person? 50 Euro für einen Guide, ohne den man nicht in den Park durfte??!! Mist – hätte man sich doch mal vorher erkundigt, dann hätten sich mit Sicherheit Alternativen gefunden. Aber Anstatt uns damit zufriedenzustellen, dann eben an einem anderen langen Wochenende wegzufahren, einigten wir uns spontan, dass es sich bei solch horrenden Preisen im nahegelegenen Naturpark wohl eher lohnen würde nach Rio zu fahren. RICHTIG. RIO DE JANEIRO – 1500 km und 17 Stunden Busfahrt entfernt. Gesagt , getan.

24 Stunden später saßen wir dann auch schon im Bus Richtung Rio, voller Erwartungen, ohne Unterkunft – wenn spontan dann auch richtig.

Samstagvormittag standen wir dann auch schon an der „Ródoviaria“ in Rio. Laut Reiseführer empfehle es sich, mit einem Taxi weiterzufahren. UNSINN dachten wir uns, denn diese 30 Reais könne man sich mit Sicherheit sparen. Wir gingen also schnurstracks zum Busbahnhof erfragten die Routen der unzähligen Busse, dir dort hielten. Nach 15 Minuten saßen wir dann im Bus Richtung CopaCabana, heilfroh, dass wir nur 1,50 anstatt 30 Reais bezahlt hatten.

Wie der Zufall es wollte suchten wir kaum eine halbe Stunde, bis wir ein preiswertes und strandnahes Hostel fanden – 15 Euro die Nacht, Frühstücksbuffet, Internetzugang und 5 Min. Fußweg zur CopaCabana … geht doch!

In den darauf folgenden Tagen klapperten wir vom Zuckerhut (natürlich kletterten wir ihn auch in Flip Flops halb hoch), Ipanema Beach, Lapa bis Urca alles ab, was Rio so zu bieten hat. Einen Besuch des Cristo warfen wir am letzten Tag kurzerhand über den Haufen, als wir uns wiederrum spontan entschieden, noch zwei andere Freiwillige im nur 1 ½ Stunden entfernten Petrópolis zu besuchen.

So wurde aus dem ursprünglich geplanten langen Wochenende eine ganze Woche Spotanurlaub vom Feinsten…









 
Natürlich hat sich auch hier in Brasília bzw. Ceilândia ein bisschen was getan.

Die Regenzeit ist mittlerweile so richtig in Gang gekommen und beschwert und fast täglich mindestens eine Stunde Dauerregen. Ab und zu regnet es auch den ganzen Tag. Meistens sind es die absolut verregneten und stürmische Tage, die Tirza und mir am besten gefallen. Unsere innere Uhr wartet hier nämlich schon seit geraumer Zeit vergeblich auf das Einsetzen des Winters. So nutzen wir die besagten Tage um unsere Winterpullover auszupacken, einen Tee zu kochen und so zu tun, als ob es mindestens 5 Grad unter null sei. Leider müssen wir jedoch nach ein paar Stunden unsere Pullover wieder in den Koffer packen und einsehen, dass der Regen allein die 20 Grad nicht wett macht.

Auch in den Geschäften versucht man (meiner Meinung nach erfolglos) mit allerlei glitzernder Accessoires (von Dekoration möchte ich an dieser Stelle wirklich nicht sprechen…) weihnachtliche Stimmung einzuläuten. In meiner Freizeit verschlinge ich ein Buch nach dem anderen. Da mir die Bücher mittlerweile ausgegangen sind, mussten sogar schon furchtbare Schnulzen sowie schlechte Krimis, welche ich noch in einer Abstellkammer gefunden hatte, herhalten. Für übermütige Stunden habe ich mir auch schon zwei portugiesische Bücher gekauft… Meistens schaffe ich jedoch nur ein Kapitel am Stück – dann reicht es mit dem Portugiesisch.

Mit der Sprache komme ich ansonsten nach wie vor recht gut voran. Sorgen bereitet mir jedoch der ständige Verlust meines Französischs – vor lauter Verzweiflung habe ich mir jetzt schon einen alten Schinken auf Französisch (ebenfalls aus der Abstellkammer) über die deutsch-französischen Beziehungen rausgesucht (und das, obwohl sich doch fast das gesamte letzte Schuljahr darum drehte…).

So weit so gut. In einem Monat fangen hier die großen Ferien an und dann geht es Silvester nach Salvador – ich bin schon ganz gespannt.


bis dahin ein paar Abraços aus Ceilândia

Sonntag, 28. November 2010


                                                                                                                                                           
Heute: „Tag des Kindes“ → frei.                                                  11.10.10
Schön, wenn man an einem schwülen Dienstagvormittag nicht schwitzend in der Creche sitzen muss um einen Haufen aufgedrehter Kinder zu Füttern, Duschen, Beschäftigen etc. sondern unter den Bäumen vor der Haustüre auf einer Matratze entspannen kann. Obwohl ich mittlerweile hinsichtlich der Feiertage hier schon gänzlich die Übersicht verloren habe (Tag des Soldaten, Tag des Baumes, Tag des Verkehrs, Tag der Lehrer, Tag der Folklore, Tag der Bibel…), erfreue ich mich nicht minder an den dadurch anfallenden Urlaubstagen.
Vor ziemlich genau einer Woche hat hier mit dem lang ersehnten ersten Regen seit Mai endlich die Regenzeit begonnen. Zwei bis dreimal die Woche schüttet es hier jetzt wie aus Eimern; meistens jedoch nicht länger als eine Stunde, sodass aufgrund der noch immer hohen Temperaturen nach kurzer Zeit wieder alles trocken ist. Trotzdem ist die Wirkung unübersehbar: die ganze Stadt ist schon jetzt wesentlich grüner als noch vor 2 Wochen. Außerdem ist die Luftfeuchtigkeit deutlich angestiegen, was Tirza und ich vor allem des Nachts bemerken, wenn wir in unserem häufig schwülen Zimmer nicht schlafen können. Darüber vermag jedoch des Öfteren eine frische Bananenmilch unter freiem Himmel hinwegzutrösten…
Nebst der Regenzeit hat hier nun auch die Mango Saison begonnen, sodass wir fast täglich ein Dutzend reifer Mangos ernten (Wir haben 5 Mangobäume auf unsere Gelände!) können. Natürlich zögern wir auch nie, diese in rohen Mengen zu verspeisen… Que gostoso!
Vor etwas mehr als einer Woche wurde hier gewählt (3.Oktober); an einem schwülen Sonntag hatte man als brasilianischer Staatsbürger hier demnach die Pflicht (!) sich in einem der unzähligen Wahllokale anzustellen um seine Stimme abzugeben. Die bereits in Umfragen als Favoritin ermittelte Dilma Rousseff (ebenso wie Lula PT – Parti dos Trabalhadores) konnte mit 41% der Stimmen jedoch nicht die absolute Mehrheit erlangen, sodass es am 31. Oktober zu einer Stichwahl zwischen  den drei Erstplatzierten Kandidaten kommen wird. Da hatten Tirza und ich uns wohl etwas zu früh auf etwas mehr Ruhe (vor allem des Nachts) gefreut, denn der lautstarke Wahlkampf wird demnach noch etwas mehr als zwei Wochen andauern.

Letzten Mittwoch waren wir anlässlich der 20jährigen Deutschen Einheit bei der Deutschen Botschaft in Brasília eingeladen. Welch ein Fest! Obwohl Tirza und mir versichert wurde, dass wir mit einer schicken Bluse und einer netten Jeans angemessen gekleidet wären, fühlten wir uns zwischen Ballkleidern, mörderisch hohen und eleganten Schuhen sowie Hugo Boss Anzügen eher weniger passend gekleidet. Nachdem Elli uns unzähligen Botschaftern, Offizieren, Pfarrern etc. vorgestellt hatte, konnten wir uns ein ruhiges Plätzchen am Rande der Zeremonie suchen und der unglaublich unterhaltsamen Rede lauschen (leider war der Redner des Portugiesischen nicht einmal ansatzweise mächtig, sodass die mit fruchtbar deutschem Akzent abgelesene Rede allen Anwesenden ein Schmunzeln aufs Gesicht zauberte…). Anschließend galt es das Buffet zu erkunden. Deutsches Essen (Sauerkraut, Kartoffelsalat, Brezen (die wir den ganzen Tag hier im Casa da Esperança gebacken hatten) etc.), ein unwiderstehlicher Nachtisch sowie das Bier, der Sekt, leckere Säfte und die eigens aus Deutschland eingeflogene Marching Band (war das wirklich nötig???) machten den Abend für uns zu einem unvergesslichen Event.

 Nächsten Sonntag wird hier auf dem Gelände des Casa da Esperança ein Oktoberfest stattfinden. Tirza und ich werden mit ein paar Jugendlichen voraussichtlich eine Sternpolka vortanzen. Ich sage voraussichtlich, weil nach guter brasilianischer Manier gestern niemand von ihnen zu unserer vereinbarten „Probe“ erschienen ist… wir werden sehen, denn wie der Brasilianer sagen würde „sempre tem jeito“ (Es gibt immer einen Weg) und um ehrlich zu sein, wären weder Tirza noch ich böse darum, uns hier einmal weniger zum Affen zu machen...
Soweit aus der merkwürdigsten Hauptstadt der Welt

Jetzt ist es ja doch schon wieder ein Weilchen her, dass ich ordentlich Bericht erstattet habe, wie die Dinge hier in Brasilien, am anderen Ende der Welt, so laufen.
Seit fast 6 Wochen lebe ich nun schon in dem Land, in dem es (bisher) jeden Tag Reis mit Bohnen gab; in dem Reich und Arm unmittelbar nebeneinander wohnen, in dem die Zebrastreifen höchstens als Dekor dienen, in denen Zahnarztpraxen und andere Ärzte mit bunten Plakaten werben (die mich persönlich eher dazu bewegen würden, mir selbst einen Zahn zu ziehen…), in dem der Wahlkampf eher an Karnevalszüge erinnert, in dem es eine Faustregel zu geben scheint „ Kaufe als Frau zu kleine Kleidung und zu hohe Schuhe“, in dem man es als „loira“ (Blonde) trotz aller Bemühungen nicht schafft, nicht aufzufallen, aber in dem Herzlichkeit an erster Stelle steht.
Zusammen mit meiner Projektpartnerin und Freundin Tirza habe ich schon einige ätzende und anstrengende Arbeitstage hinter mich gebracht, welche uns dazu veranlassten, uns auf Deutsch über ebendiese sowie aufdringliche Männer auszulassen. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, auf dem Weg zur Arbeit von jedem dritten Mann angestarrt/angehupt oder angesprochen zu werden und auch die Unzuverlässigkeit als auch die lockere Art damit umzugehen gehören für uns schon voll und ganz dazu. Ganz nach dem Motto „Was du heute kannst besorgen, schaffst du locker auch noch morgen (und nächste Woche ist ja auch noch Zeit…)“ verleben wir unsere (Arbeits-)Tage im Cantinho do Girassol ohne Arbeitsplan, mit einem Haufen nicht zu bändigender Kinder, die sich aus verschiedensten Gründen gerne mal die Köpfe einschlagen und einigen „tias“, welche all ihre Energie in die Verschönerung des Raumes (Bastelarbeiten) anstatt in die Kinder investieren. 
Auch, dass jede „tia“, und somit auch wir, bei der Essensausgabe ein Haarnetz tragen muss, das Essen aber z.T. mit der Hand ausgeteilt wird und die Kinder sich manchmal noch nicht weggeräumte Essensreste des Vortags vom Boden kratzen und genussvoll verspeisen, gehört für uns schon genauso zum Alltag, wie das Busfahren ohne Fahrplan oder die Männer, die sich auch bei voller Fahrt auf dem Motorrad nach uns umdrehen (wir sind gespannt, wann der erste gegen einen Laternenpfahl donnern wird…). Bisher arbeiten wir im Cantinho do Girassol mit Kindern zwischen 0-3 Jahren. Tirza und ich gehen mittlerweile in verschiedene Gruppen, um zu vermeiden, zu viel Deutsch zu sprechen. Morgens verlassen wir gegen 20 nach 7 das Haus und kommen dann zwischen viertel vor 8 und halb 9 auf der Arbeit an (je nachdem wie viel Glück man gerade mit den Bussen hat…). Bis meistens 16 Uhr (wenn wir Fußballtraining haben, gehen wir früher) helfen wir dann Essen auszuteilen, Windeln zu wechseln, Konflikte zu Lösen, Nasen zu putzen, Kinder zum Einschlafen zu bewegen, zu singen, Kinder zu waschen, anzuziehen etc. etc. Nichts, was wir noch nicht gemacht hätten. Wenn wir dann nach 8 Stunden die Heimreise antreten, haben wir uns immer einige Stories zu erzählen, sind total k.o., unsere Hosen voller Kinderrotze und Staub und wir dann froh, zu Hause anzukommen und erst mal einen Kaffee zu trinken, Gitarre zu spielen, Obst zu essen oder uns einfach nur mit den netten Mitarbeitern des Casa da Esperança austauschen können. Trotzdem ist es auch immer wieder erfüllend, die Kinder lachen zu sehen. Da die „tias“ sich ja oftmals keine Zeit nehmen können oder z.T. auch nicht wollen und den Aufwand möglichst gering halten wollen (obwohl das Wetter super ist, waren wir bisher erst EINMAL draußen…), freuen sich die Kinder unheimlich, wenn eine „tia“ mal Zeit hat, sie auf den Arm zu nehmen, mit ihnen zu Kuscheln, mit ihnen Lieder zu singen, ihnen etwas vorzulesen oder einfach nur mal zuzuhören, wenn gerade Mama oder Papa vermisst werden.
Wir genießen es, uns mit den Einheimischen austauschen zu können und hier im Casa da Esperança 2 bis 3 mal die Woche mit einigen Mädels Fußball spielen zu können. Im Cantinho do Girassol können wir zweimal die Woche Capoeira machen, was vor allem mich total freut. Obwohl wir manchmal echt kaputt sind, wenn wir abends in Bett fallen, sind wir froh, dass wir das alles um uns haben. Die unzähligen neuen Erfahrungen, Eindrücke, die schreienden Kinder, der Weg zur Arbeit, die abwechslungsreichen Wochenenden, Capoeira, die Menschen des Casa da Esperança und die völlig andere Kultur erfüllen mich, lassen mich staunen, machen mir Mut, nerven ab und zu, tragen erheblich zur Erweiterung meiner Toleranzgrenze bei und bewirken jedoch vor allem ein Gefühl der Zufriedenheit mit meiner Entscheidung ein weiteres Jahr ins Ausland zu gehen. Ich fühle mich sehr wohl hier und bin schon total gespannt, was noch alles auf mich zukommt.
Ps: Noch ein kleines „Wahlkampf – Special“, um einen kleinen Einblick gewinnen zu können…
Schon morgens um 7 Uhr stehen Jugendliche, Kinder, Frauen und z.T. auch Männer mit Fahnen verschiedenster Parteien am Straßenrand und behindern den Verkehr. Nicht nur, dass das ganze eher wie die letzte Runde eines Formel1 Rennens wirkt, auch möchte ich behaupten, dass nicht einmal die Hälfte der dort werbenden einen blassen Schimmer haben, welches Wahlprogramm sich da eigentlich hinter der Partei mit den ominösen Flaggen verbirgt. Ansonsten begegnet man noch zahlreichen maskottchenähnlichen Figuren, die eingehüllt in riiiiiiesigen Plastikanzügen durch die Straßen ziehen und den jeweiligen Kandidaten darstellen (natürlich ist auch die Partei und Wahlnummer nochmal ganz dick aufgedruckt!) Die Plakate der Kandidaten sehen aus, als ob sie für ein Callcenter oder für irgendein unseriöses Unternehmen entworfen seien. Keinstenfalls würde man damit jedoch die anstehenden Wahlen verbinden. Ich habe noch kein einziges Plakat gesehen, auf dem auch nur ansatzweise Inhalte eines Wahlprogramms erkennbar gewesen wären. Es sind immer nur die völlig unauthentisch lachenden Kandidaten und die entsprechenden Wahlnummern zu sehen. Als ob das noch nicht genug wäre, ziehen ganze Autokarawanen durch die Straßen, gepflastert mit den Plakaten ihres Kandidaten und spielen noch dazu ein paar eigens für die Wahl eingespielter Lieder in unüberhörbarer Lautstärke ab… Zu ganz netten Rhythmen fährt man dann auch gerne mal durch die ärmsten Viertel und spielt Lieder, in denen Bildung, eine gute Erziehung für jedes Kind und eine Verbesserung der Gesamtsitutation versprochen werden - ziemlich krass... Soweit zu den anstehenden Wahlen… Ich bin unheimlich gespannt, wie es ausgehen wird (Gewählt wird am 3. Oktober).
PPs: Vor 2 Tagen habe ich mir spontan eine Gitarre gekauft, sodass ich nach der Arbeit / nach dem Training bei 25 Grad draußen auf der Gartenbank singend den Tag ausklingen lassen kann…

BRASÍLIA

23.08.10
 
Mitlerweile bin ich schon seit einer Woche in Brasília bzw. dem Stadtteil „Ceilândia“, habe schon einiges gesehen und mich auch schon ganz gut eingelebt. Ich teile mir mit meiner Projektpartnerin Tirza ein Zimmer und wiederum die Wohnung mit Leni, einer Einheimischen die auch hier im Projekt arbeitet. Wir wohnen auf dem Gelände des „Casa da Esperança“(Haus der Hoffnung), welches eine Art Jugend- und Weiterbildungszentrum ist. Hier werden wir allerdings nur 1 oder 2 Tage die Woche arbeiten. Die meiste Zeit werden wir im „Cantinho do Girassol“ verbringen, in dem wir hauptsächlich mit kleineren Kindern arbeiten werden.
Unsere Mitbewohnerin ist sehr nett und herzlich, spricht zwar kein Deutsch aber versteht es uns alles in einfachem Portugiesisch zu erklären. Wir waren direkt die ersten beiden Tage nach unserer Ankunft mit ihr in Brasília und haben schon alle wichtigen Gebäude, Denkmäler und Museen gesehen. Glücklicherweise sind hier sämtliche Führungen und Museumsbesuche kostenlos, sodass wir den „Congresso Nacional“ sowie das Außenministerium ausgiebig erkunden konnten. Selbstverständlich haben wir auch einen Blick in die absolut futuristische Kirche geworfen – interessantes Design, aber andächtige Stimmung kam dort bei aller Liebe nicht auf (zumal unzählige Touristen die Kirche stürmten, nur um eben ein Foto vor dem Altar à la „ Ich war da“ zu machen und dann wieder rauszuhechten. Im Nationalmuseum, ebenfalls sehr gewöhnungsbedürftige Architektur (in einer Gegend, in der fast ganzjährig die Sonne scheint, keine Fenster einzubauen finde ich persönlich ja schon grob fahrlässig…), haben wir uns eine Ausstellung zum Thema Fahrradkulturen in Großstädten (hauptsächlich europäische) angesehen – die war wirklich gut. Da die ganze Stadt jedoch offensichtlich nicht für Fußgänger konstruiert wurde (es gibt lange Strecken ohne Bürgersteig und die verschiedenen Gebäude liegen kilometerweit auseinander…) waren wir nach 6 Stunden Fußmarsch dann auch froh in den Bus Richtung Ceilândia einsteigen zu können.
Da unsere Ansprechpartnerin und Leiterin des „Casa da Esperança“ Eli erst diesen Donnerstag aus Deutschland zurück kam, hatten wir die ganze Woche noch frei. Wir hatten also noch genügend Zeit uns einzuleben, die Gegend ein wenig zu erkunden und die MitarbeiterInnen hier kennenzulernen. Wir wurden von allen sehr gut aufgenommen und fühlen uns schon nach einer Woche wie zu Hause. Eli ist ebenfalls sehr herzlich und vor allem total nett. Sie spricht fließend Deutsch und ist sehr bemüht, damit wir uns hier wohlfühlen. Gestern waren wir mit einigen Mitarbeitern auf einer Feier, welche anlässlich des Todestages von Raoul Seixas stattfand. Obwohl wir keine einzige Textzeile beherrschten haben wir natürlich jedes Wort, welches wir konnten, mitgesungen und hatten sehr, sehr viel Spaß. Selbstverständlich haben wir auch mitgetanzt und jede Menge neue nette Leute kennen gelernt.
Ab Montag geht’s für uns im „Cantinho do Girassol“ los. Wir sind schon total gespannt, was uns dort erwartet. Eli hat schon ein bisschen erzählt und uns angeboten, dass wir alle 1-2 Monate mal die Gruppen wechseln, um einen Überblick zu bekommen – wir werden sehen…
Grüße aus dem warmen Brasilien

Salut ihr Lieben

11.08.10
 
Waren am Wochenende in Canela, einem von deutschen Einwanderern geprägtem „Bergdorf“ ( so nannte man es hier. Ich persönlich würde sagen, es liegt auf einem Hügel…).
Zwar war der Ausflug an sich ganz nett, jedoch hatten wir uns alle ein bisschen mehr „echte“ brasilianische Kultur gewünscht. Freitag ging es per Bus los. Nach einer zweistündigen Fahrt kamen wir an den „Lago negro“ (schwarzer See), welcher mir persönlich leider gar nicht gefiehl. In 5 Minuten umrundet, von Touristen überlaufen und als Highlight mit weißen Plastikschwänen befahrbar, war der See für meinen Geschmack viel zu klein, dreckig und außer als Präsentierteller nicht nutzbar. Anschließend ging es dann weiter zu unserer Herberge einer „pousada“. Schlichte, rustikale Zimmer, für mindestens 8 Personen – einfach, aber vollkommen ausreichend. Nachdem wir unsere Sachen untergebracht hatten, ging es mit dem Bus nach Gramado, wo gerade das 38. Filmfestival zu Gange war. Obwohl es sich wahrscheinlich kein Südamerikaner hätte entgehen lassen, einen Blick auf den Roten Teppich, bzw. die darüber stolzierenden Stars zu erhaschen, gingen wir schnurstracks Richtung Restaurant um sog. „Pasteleiros“ (gefüllte Teigtaschen)zu essen – lecker!
Sonntags hatten wir mehr Glück. Nach einem genialen Frühstück (jede Menge frisches Obst & ausgefallene Säfte) sind wir zu einem Naturpark gefahren und konnten uns einen wunderschönen Wasserfall angucken. Leider hatten wir dafür nur eine Stunde Zeit, was aber immerhin reichte, um 750 Stufen hinabzusteigen und das Ganze von unten zu betrachten...
(Der Aufstieg war ein optimales Trainingsprogramm und wir waren zum ersten Mal froh, dass es hier so kühl ist!)
Danach waren wir in einem Café Colonial, indem es TONNENWEISE VIIIEL zu süßen Kuchen und Torten gab - das war überhaupt nichts für mich!!
Ich fiebere jetzt Freitag entgegen, weil ich dann endlich ins Projekt fahren werde. Soweit aus Brasilien

 
 

Brasilien die Erste

07.08.10
 
Seit Dienstag bin ich nun schon im kalten Süden Brasiliens in Porto Alegre um an einem zweiwöchigen Sprachkurs teilzunehmen. Temperaturen um die 10°C, die in Deutschland nicht weiter stören würden, fallen hier ohne Heizung und z.T. kalter Duschen schon eher ins Gewicht. Da lobe ich mir doch meinen schönen warmen Schlafsack, der mich abends neben zwei dicken Decken erwartet.
 
Neben dem sehr abwechslungsreichen Sprachkurs haben wir hier auch noch Vorträge zu verschiedensten Themen (Kultur, Kirche…). Leider decken sich die Themen dieser Vorträge größtenteils mit denen, die wir bereits auf unsrem 2-wöchigen Ausreisekurs in Bonn behandelt haben, sodass es für uns Ekir-Leute ab und zu etwas langweilig ist. Trotz allem müssen wir den hiesigen Organisatoren zu Gute halten, dass sie sich wirklich sehr viel Mühe geben und mit Herz bei der Sache sind.
Leider fällt es nach 2 Wochen Seminar in Bonn zudem etwas schwer, sich hier wieder in eine neue Gruppe einzufügen (es sind noch ca. 30 andere Freiwillige von Mission-eine-Welt und vom „Gustav-Adolf-Werk“ hier), die wir in ein paar Tagen wiederum hinter uns lassen werden. Dafür freue ich mich umso mehr, in nur 5 Tagen zu meinem Projekt in Brasília zu fliegen. Zwar habe ich noch immer nur sehr schwammige Informationen darüber, was die Unterbringung und die Tatsächlichen Aufgaben in meinem Projekt angehen, bin aber deswegen nur noch gespannter auf das, was mich am Freitag dort erwarten wird.
 
Gespannt bin ich auch, ob sich dann die Esskultur etwas verändern wird, da diese mich momentan schier erschlägt. Neben den gewohnten drei Mahlzeiten Frühstück, Mittagessen und Abendessen (selbstverständlich oftmals auch warm) gibt es bei uns noch 2 mal Kaffee, Kekse und Kuchen über den Tag verteilt. Letzteres ist dabei oft verboten süß, sodass es sich nur in geringen Mengen verzehren lässt, ohne einen Zuckerschock zu erleiden.
Ein gutes Beispiel für die skurrile Esskultur, erlebten wir letzten Donnerstag. Abends ging es in eine Pizzeria, welche hier folgendermaßen „funktioniert“;
Man suche sich einen Platz, setze sich hin und wähle ein Getränk aus. Wenige Augenblicke später steht das bestellte Getränk bereits auf dem Tisch und der Tisch wird von ca. 3-5 Angestellten mit jeweils zwei Blechen Pizza auf der Hand umkreist. Man erspähe sich die Pizza der Wahl, hebe die Hand und rufe „sim“, sobald der Kellner in der Nähe ist und in Nullkommanichts liegt das gewünschte Stück auf dem Teller und kann verspeist werden. Das Ganze unter dem Motto „all you can eat“ und mit gefühlten 200 zur Auswahl stehenden Sorten Pizza. ( Ein kleiner Ausschnitt: Mais, Broccoli, Trockenfleisch, Hühnerherz, Hühnerbrust, Thunfisch, Knoblauch, 4 – 6 Käse, Tomate, Rind, Meeresfrüchte, Zwiebel, Palmenherz, Calzone, Gemüse etc… ). Wenn man dann denkt „Es reicht – ich bin satt“, fängt es eigentlich erst richtig an, dann stehen nämlich süße Pizzen auf dem Programm und das nicht weniger vielfältig in ihrer Ausfertigung (Alle nur erdenklichen Schokoladensorten mit Nüssen, Eis, Bananen, Erdbeeren, Smarties, Baiser, Karamell, Zitronencreme etc…). Wenn man es dann tatsächlich geschafft hat, mit dem Probieren und „ Ja, ein Stück davon könnte ich ja noch…“, ist man froh, wenn man noch 10 Minuten nach Hause gehen darf, um wenigstens ein Hundertstel des Gegessenen zu verbrennen und danach in einen tiefen Schlaf zu fallen…