Montag, 20. Dezember 2010

Unsere heißen Schneemänner


30 Grad, blauer Himmel - während ihr friert, bauen Tirza und ich dann mal in kurzer Hose unsere Schneemänner... So muss das sein!

Sonntag, 19. Dezember 2010

Brasília - 50 Jahre Hauptstadt im Nichts


Skizze des "Plano Piloto"

Seit vier Monaten lebe ich nun schon in einer der (soweit ich es auf Grund meiner bisherigen Erfahrungen beurteilen kann) merkwürdigsten (Haupt)städte der Welt, bzw. in einer ihrer 17 Satellitenstädte.
Die von Architekt Oscar Niemeyer geplante Retortenstadt wurde im April diesen Jahres gerade einmal 50 Jahre alt, hat 2,5 Millionen (incl. Satellitenstädte, im Stadtkern nur etwas mehr als 200.000) Einwohner, auf die 1,2 Millionen Autos kommen. Diese absolut erschreckende Zahl erklärte sich mir bereits nach meinem ersten „Besuch“ des „Plano Piloto“, dem Stadtzentrum. Es gibt zwar eine Metro, welche das Stadtzentrum mit 5 Satellitenstädten verbindet, allerdings ist deren Endstation die Rodoviária, welche recht mittig gelegen zwar ein guter Ausgangspunkt ist, jedoch nicht unbedingt nah an den verschiedenen Hauptpunkten liegt. Neben der Metro existiert ein mehr oder minder gut ausgebautes, jedoch recht unübersichtliches Bussystem, welches neben dem Auto die einzige Fortbewegungsmöglichkeit stellt. Fußgänger- oder Fahrradwege sind in der gesamten Innenstadt kaum bis gar nicht vorzufinden, dementsprechend sieht man kaum Menschen auf den Straßen, sodass die Stadt für mich eher einer Dauerausstellung modernen/futuristischer Architektur gleicht. 
Blick auf den Plano in 75m Höhe (TV Tower)

Feira Artesanal

Verantwortlich dafür ist jedoch auch oder vor allem der beängstigende Mangel an kulturellen Treffpunkten in der Innenstadt. Zwischen dem Juscelino Kubitschek Denkmal (ungefähr auf Höhe des Flugzeughecks) und dem Nationalkongress (Cockpit des „Flugzeugs“), sprich auf ca. 7km finden sich weder Bars noch Restaurants. Lediglich außerhalb des Planos liegen ein zwei Straßenzüge, in denen sich ein Restaurant an das andere drängt. Desweiteren gibt es noch zwei Shoppingcentren, welche sich allerdings ebenfalls außerhalb des eigentlichen „Flugzeugs“ befinden.
Nach meinen zahlreichen Streifzügen durch die Stadt, habe ich als einzigen wirklichen kulturellen Treffpunkt (an dem sämtliche gesellschaftliche Schichten vertreten sind) die „Feira Artesanal“ (Kunsthandwerkermarkt), welcher zu Füßen des TV Towers (ca. Flugzeugmitte) liegt, ausgemacht.
Immerhin kann letzterer, sowie auch der Nationalkongress, das Außenministerium, das Museu Nacional und die Catedral Metropolitana kostenlos besichtigt werden. 
Congresso Nacional

Catredral Metropolitana

Museu Nacional
 
Neben dem augenscheinlichen Mangel an kulturellen Treffpunkten, erschrecken die absolut unverschämt hohen Miet- bzw. Kaufpreise, welchen denen in Miami entsprechen. Die Ursache hierfür liegt nicht etwa in der Attraktivität dieser Wohngegend (die meisten Einwohner bewohnen in den „Flugzeugflügeln“ eintönige und triste Plattenbauten), sondern darin, dass fast ausschließlich Beamte das Stadtzentrum bewohnen. Seit der Fertigstellung der Stadt, deren Idee unter anderem die Ansiedlung von Arbeitern innerhalb der Stadt war, sind sämtliche Arbeiter aus der Stadt verschwunden und bewohnen die Satellitenstädte. Trotzdem werden sie natürlich auch für den reibungslosen Ablauf in der Innenstadt benötigt, denn auch Ministerien, Konsulate und dergleichen wollen gereinigt und instand gehalten werden. Resultat dieser Verteilung ist ein unvorstellbarer Pendelverkehr, welcher tagtäglich für viel Stau und verstopfte Straßen sorgt. Um entgegenzuwirken werden zur „Rush Hour“ morgens und nachmittags alle 6 Spuren der Estrutural (eine der Hauptstraßen, welche einige Satellitenstädte mit dem Plano verbindet – normal 3spurig in beide Richtungen) jeweils nur in eine Richtung befahren. (morgens dementsprechend Richtung Plano und nachmittags Richtung Satellitenstädte).
Arbeiterdenkmal
 
Der erste Gedanke, welchen man mit der „Arbeiterarmut“ innerhalb der eigentlichen Stadt verbindet, mag schlichtweg sein, dass das ständige Pendeln umständlich und unpraktisch ist. Oftmals wird die Situation auch genauso von den zahlreichen Beamten der Stadt beurteilt. Betrachtet man die Situation der zahlreichen pendelnden Arbeiter bzw. die der Satellitenstadtbewohner jedoch genauer, so wird klar, dass die Situation mehr als unpraktisch oder umständlich ist – sie ist gnadenlos unfair und unverhältnismäßig!
Innerhalb der Satellitenstädte wird ein völlig anderes Leben geführt, welches nichts mit dem innerhalb der Stadt zu tun hat. Es gibt unzählige Obdachlose, Arbeitslose, Drogenabhängige und nicht zuletzt Kriminalität. Natürlich ist die Situation innerhalb der verschiedenen Satellitenstädte auf Grund deren unterschiedlicher Faktoren (Größe, Einwohnerzahl, Entfernung zum Plano etc.) auch sehr verschieden.
Ich wohne in Ceilândia, eine der Satellitenstädte, deren Entwicklung in den letzten 5 Jahren erheblich vorangegangen ist.



auf dem Weg zur Arbeit: Ceilândia Norte




In den meisten Stadtteilen gibt es mittlerweile geteerte Straßen und zumindest soweit ich es beurteilen kann auch relativ (!) viele soziale Einrichtungen (hauptsächlich Kindergärten). Auf den ersten Blick geht es den meisten Familien vielleicht sogar gar nicht so schlecht. Erst nachdem ich einige Freunde und Bekannte hier besucht habe, ist mir aufgefallen, wie schlecht sich die Situation eigentlich einschätzen lässt. Einige Familien besitzen zwar ein (von Außen verhältnismäßig) ganz ansehnliches Häuschen, teilweise sogar ein Auto, aber oftmals fehlt es an essentiellen Dingen, wie einer Dusche oder einer funktionstüchtigen Toilette.
Neulich war ich bei einer Freundin zu Besuch. Auf Grund ihres Kleidungsstils und ihrer „Ausstattung“ (Handy, Mp3Player etc.) hatte ich mir unterbewusst ein Bild von einer mittelmäßig bis gut ausgestatteten Wohnung gemacht. Als ich ins Badezimmer ging, ein fensterloser Raum, dessen Boden und Wände aus Lehm bestanden, war ich wirklich geschockt. Natürlich sind es nur viele einzelne Eindrücke, ein kleiner Ausschnitt aus dem Leben hier, welche sich nach diesen ersten vier Monaten hier zusammenfügen, dennoch ausreichend, um festzustellen, dass eines der Hauptziele in der Planung dieser Stadt, einen gemeinsamen Lebensraum für verschiedenste gesellschaftliche Schichten zu schaffen, mit Sicherheit nicht umgesetzt worden ist. Aber auch die anderen Ziele und Hoffnungen, welche man mit der Verlagerung der Hauptstadt ins Land des Inneren (welche schon seit 1823 als Idee bestand) verfolgte, konnten bis heute nur teilweise umgesetzt werden.
Auch wenn mich fast jeder, dem ich inner- und außerhalb Brasílias bzw. Ceilândias bisher begegnet bin bemitleidet („Du Arme. Was machen du und Tirza nur hier? Kein Meer, keine Seen, wenig Kultur…“) bin ich froh, hier in Brasília bzw. Ceilândia „gelandet zu sein“. Ich finde es spannend, die Lage, die Menschen, die Kultur und das (brasilianische) Leben hier völlig unvoreingenommen kennenlernen zu können, da das Internet (in dem man heutzutage doch scheinbar alles nachlesen kann) ausnahmsweise mal keine Materialien hergibt (zumindest nichts über Ceilândia)...

Samstag, 18. Dezember 2010

„Advent, Advent - die Sonne brennt.“


1. Advent, 25°C, schwüle Hitze, blauer Himmel und durch die Hecke zum Nachbargrundstück lässt sich bei genauem Hinhören Sambamusik vernehmen – welch ein grandioser Einstieg in die Adventszeit.
Ist er nicht schön (kitschig)??  Ps: Es wurde noch eine bunte Blinklichterkette hinzugefügt...   

Ein typischer Adventssonntag : blauer Himmel, 25 - 30°C, schwül - kurz: absolut unweihnachtlich

Zugegeben, es hat schon was, auch Ende November noch mit der gleichen Garderobe wie vor 4 Monaten auf die Straße gehen zu können. Allerdings scheint sich die Hoffnung auf eine noch einsetzende Weihnachtsstimmung unter anderem auf Grund der deutlich schwüler werdenden Nächte, in denen man sich nun entscheiden kann, ob sie auf Grund der unerträglich drückenden Hitze (bei geschlossenen Fenstern) oder der erbarmungslosen Mückenschwärme (…) schlaflos vergehen, immer mehr zu verflüchtigen.
unser Adventskalender - ein bisschen Heimat muss sein...


Gestern haben wir in unserer Jugendgruppe in Ceilândia über die Gestaltung des Weihnachtsgottesdienstes nachgedacht und während ich mir schwitzend in kurzer Hose und Top ein Krippenspiel vorzustellen versuchte, hätte ich für das Anschlussprogramm nach dem Gottesdienst am liebsten eine Wasserschlacht vorgeschlagen.
Der erste Eindruck mag nun vielleicht sein, dass ich mich nach Schnee, Winterjacke und gemütlichen Abenden vor dem Kamin sehne und wie sollte es auch anders sein – natürlich gibt es einige Momente in denen das der Fall ist. Den Großteil der Zeit finde ich es allerdings eher unterhaltsam zu beobachten, wie man hierzulande versucht auf die verschiedensten Art und Weisen die Weihnachtsstimmung zu erzwingen. Wenn mich beim Einkaufen einige Verkäufer mit hochroten Köpfen, welche unter Weihnachtsmützen schmoren, grüßen, ich mein Obst zwischen blinkenden Nikolauslichterketten suche oder  sich in der Creche schon seit Tagen fünf „tias“ damit beschäftigen, Nikoläuse, Weihnachtsbäume, Engelchen und Schnee an die Türen zu malen und dazu Lametta in den verschiedensten Farben an jeder Ecke befestigen, so kann ich einfach nicht anders, als ab und zu laut loszulachen.  Trösten können desweitern die noch allzu lebendigen Erinnerungen an blinkende Kakteen, pinke Metallgestelle in Form von Weihnachtsbäumen  sowie zahlreiche Hausgroße Weihnachtsfiguren, welche mir in Arizona förmlich die Sprache raubten – dagegen geht es hier ja wirklich noch sehr geschmackvoll zu...
 

Mal eben nach Rio - warum eigentlich nicht ?


Heidewitzka – wie die Zeit hier verfliegt… Jetzt ist es schon wieder über vier Wochen her, dass ich das letzte Mal einen Blogeintrag verfasst habe, obwohl es mir so vorkommt, als sei es erst gestern gewesen.
Gott sei Dank gibt es aber trotz oder vielleicht gerade wegen der so schnell an mir vorbeiziehenden Zeit einiges zu berichten.

Nachdem sich bei Tirza und mir in den letzten Oktoberwochen erste Erscheinungen von Lustlosigkeit und Demotivation breit machten, beschlossen wir, dass es an der Zeit sei, etwas mehr als nur Brasília von diesem wundervollen Land kennenzulernen. Nach einem kurzen Brainstorming in der Mittagspause hielten wir als erschwingliche und realistische Ziele für ein verlängertes Wochenende fest: ein nur 3 Stunden entferntes Städtchen namens Pirenópolis in dessen Nähe es schöne Wasserfälle gibt, ein Naturpark in unserer Nähe und dann die Hauptstadt des angrenzenden Staates Minas Gerais, Belo Horizonte. Frei nach brasilianischem Vorbild sprachen wir also ständig darüber, dass es ja nun, unabhängig davon wohin es denn nun tatsächlich gehen würde, eine schöne und spannende Sache sei, übers Wochenende mal etwas Neues zu erkunden – kümmerten uns jedoch ums nichts. So strichen die Tage dahin. Tagtäglich malten wir uns aufregende Hiking Touren durch den Naturpark, sternenklare Nächte unter freiem Himmel oder den Besuch anderer Freiwilliger in Belo Horizonte aus und ließen unserer Phantasie dabei keine Grenzen. Immer, wenn wir in den Computerraum gingen, nahmen wir uns vor, genauere Infos rauszusuchen, was jedoch spätestens nachdem man Familie und Freunde als „online“ verbuchen konnte, auf den nächsten „Computertag“ verschoben wurde. So kam es, dass am Donnerstag, einen Tag bevor es los gehen sollte, keine Herberge, kein Bus o.ä. gebucht war. Noch nicht einmal ein endgültiges Ziel stand fest – Jetzt aber schnell! In der Mittagspause ging es ins Internetcafé und sämtliche Preise wurden herausgesucht und verglichen. 40 Euro die Nacht in einem Naturpark pro Person? 50 Euro für einen Guide, ohne den man nicht in den Park durfte??!! Mist – hätte man sich doch mal vorher erkundigt, dann hätten sich mit Sicherheit Alternativen gefunden. Aber Anstatt uns damit zufriedenzustellen, dann eben an einem anderen langen Wochenende wegzufahren, einigten wir uns spontan, dass es sich bei solch horrenden Preisen im nahegelegenen Naturpark wohl eher lohnen würde nach Rio zu fahren. RICHTIG. RIO DE JANEIRO – 1500 km und 17 Stunden Busfahrt entfernt. Gesagt , getan.

24 Stunden später saßen wir dann auch schon im Bus Richtung Rio, voller Erwartungen, ohne Unterkunft – wenn spontan dann auch richtig.

Samstagvormittag standen wir dann auch schon an der „Ródoviaria“ in Rio. Laut Reiseführer empfehle es sich, mit einem Taxi weiterzufahren. UNSINN dachten wir uns, denn diese 30 Reais könne man sich mit Sicherheit sparen. Wir gingen also schnurstracks zum Busbahnhof erfragten die Routen der unzähligen Busse, dir dort hielten. Nach 15 Minuten saßen wir dann im Bus Richtung CopaCabana, heilfroh, dass wir nur 1,50 anstatt 30 Reais bezahlt hatten.

Wie der Zufall es wollte suchten wir kaum eine halbe Stunde, bis wir ein preiswertes und strandnahes Hostel fanden – 15 Euro die Nacht, Frühstücksbuffet, Internetzugang und 5 Min. Fußweg zur CopaCabana … geht doch!

In den darauf folgenden Tagen klapperten wir vom Zuckerhut (natürlich kletterten wir ihn auch in Flip Flops halb hoch), Ipanema Beach, Lapa bis Urca alles ab, was Rio so zu bieten hat. Einen Besuch des Cristo warfen wir am letzten Tag kurzerhand über den Haufen, als wir uns wiederrum spontan entschieden, noch zwei andere Freiwillige im nur 1 ½ Stunden entfernten Petrópolis zu besuchen.

So wurde aus dem ursprünglich geplanten langen Wochenende eine ganze Woche Spotanurlaub vom Feinsten…









 
Natürlich hat sich auch hier in Brasília bzw. Ceilândia ein bisschen was getan.

Die Regenzeit ist mittlerweile so richtig in Gang gekommen und beschwert und fast täglich mindestens eine Stunde Dauerregen. Ab und zu regnet es auch den ganzen Tag. Meistens sind es die absolut verregneten und stürmische Tage, die Tirza und mir am besten gefallen. Unsere innere Uhr wartet hier nämlich schon seit geraumer Zeit vergeblich auf das Einsetzen des Winters. So nutzen wir die besagten Tage um unsere Winterpullover auszupacken, einen Tee zu kochen und so zu tun, als ob es mindestens 5 Grad unter null sei. Leider müssen wir jedoch nach ein paar Stunden unsere Pullover wieder in den Koffer packen und einsehen, dass der Regen allein die 20 Grad nicht wett macht.

Auch in den Geschäften versucht man (meiner Meinung nach erfolglos) mit allerlei glitzernder Accessoires (von Dekoration möchte ich an dieser Stelle wirklich nicht sprechen…) weihnachtliche Stimmung einzuläuten. In meiner Freizeit verschlinge ich ein Buch nach dem anderen. Da mir die Bücher mittlerweile ausgegangen sind, mussten sogar schon furchtbare Schnulzen sowie schlechte Krimis, welche ich noch in einer Abstellkammer gefunden hatte, herhalten. Für übermütige Stunden habe ich mir auch schon zwei portugiesische Bücher gekauft… Meistens schaffe ich jedoch nur ein Kapitel am Stück – dann reicht es mit dem Portugiesisch.

Mit der Sprache komme ich ansonsten nach wie vor recht gut voran. Sorgen bereitet mir jedoch der ständige Verlust meines Französischs – vor lauter Verzweiflung habe ich mir jetzt schon einen alten Schinken auf Französisch (ebenfalls aus der Abstellkammer) über die deutsch-französischen Beziehungen rausgesucht (und das, obwohl sich doch fast das gesamte letzte Schuljahr darum drehte…).

So weit so gut. In einem Monat fangen hier die großen Ferien an und dann geht es Silvester nach Salvador – ich bin schon ganz gespannt.


bis dahin ein paar Abraços aus Ceilândia